Integration von Kindern in Baden-Württemberg und Kalifornien (2004-2005)

Die Idee zu dem vorliegenden Forschungsprojekt entstand im Sommer 2003 in Diskussionen mit Professor Robert Coleman-Senghor von der Sonoma State University aus Kalifornien. Den Hintergrund bildeten kritische Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen, über Migration und Globalisierung, über die Verbindung von Multikulturalismus und sozialer Ungleichheit, über Segregation und gesellschaftliche Spaltungstendenzen. Es bestand Einigkeit, dass solche internationalen Tendenzen auch für Baden-Württemberg und Kalifornien relevant sind, Robert Coleman-Senghor betonte aber, dass es wesentliche qualitative Unterschiede gäbe und deshalb ein Vergleich problematisch sei. Die Tübinger Erwartung war eher, dass die Entwicklungen in Kalifornien einen Blick in unsere eigene Zukunft ermöglichen könnten.


Aus den Diskussionen entstand das Interesse, ein gemeinsames Projekt zu planen und zwar zur Thematik von Integration und Desintegration als gemeinsamer Bezugspunkt. Der Integrationsbegriff war dabei sehr weit gefasst und hatte als Gegenbegriffe Ausgrenzung und Marginalisierung. Es sollte in dem Projekt nicht nur um Migranten und ihre Probleme gehen, sondern auch um andere marginalisierte Gruppen und generell um die Probleme des Hineinwachsens in die Gesellschaften unserer Zeit.


Das Hineinwachsen in kulturell und sozial differente Gesellschaften scheint vor allem für Kinder schwierig. Daraus entstand die zentrale Forschungsfrage, wie Kinder in diese Gesellschaften hineinwachsen und was mit ihnen im Integrationsprozess geschieht. Kinder sind zwar in besonderer Weise von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig, sie gestalten jedoch ihre eigene Entwicklung auch selbst mit. Deshalb sollten im Projekt die Sichtweisen und Handlungsformen der Kinder im Vordergrund stehen. Das Projekt bezieht sich auf neun bis vierzehnjährige Kinder, d.h. auf die Phase des Übergangs von der Kindheit zur Jugend, da in dieser Phase kulturelle und soziale Unterschiede für die Kinder an Bedeutung gewinnen.


Die Forschungsarbeit im Projekt begann im Sommersemester 2004 mit zwei Projektseminaren des Instituts für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen. In dem einen Projektseminar wurde eine quantitative Fragebogenuntersuchung vorbereitet und durchgeführt, in dem anderen Projektseminar wurden qualitative Analysen erstellt. Beide Untersuchungen beschränkten sich im Sommersemester auf die Tübinger Südstadt, ein Entwicklungsgebiet, das seit der Industrialisierung als Auffangbecken für alle benachteiligten Gruppen diente und das sich seit den 90er Jahren städtebaulich zu einem Experimentierfeld für die soziale Integration entwickelt hat.


Noch im Sommersemester wurde eine Forschungsreise nach Kalifornien geplant. Vorbereitet von Robert Coleman-Senghor und finanziell unterstützt durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst fand im Oktober 2004 eine Studien- und Forschungsreise nach Kalifornien statt, an der elf Studierende des Institut für Erziehungswissenschaft und der Projektleiter teilgenommen haben. In Kalifornien bekam die Gruppe Zugang zu acht Schulen, sodass sie die Untersuchungen mit qualitativen und quantitativen Methoden durchführen konnte. Nach einem vierzehntägigen Forschungsaufenthalt kehrten wir mit sehr umfangreichem Material aus Kalifornien zurück, um im Wintersemester mit der Auswertung zu beginnen.


Im Wintersemester 2004/05 fanden wieder zwei Projektseminare parallel statt. In dem einen werteten wir das qualitative Datenmaterial aus Kalifornien aus (Fokusgroups und Interviews auf Video- und Tonträger) und führten in Stuttgart-Ost die qualitativen Untersuchungen durch. In dem anderen Projektseminar wurde in Stuttgart-Ost eine quantitative Befragung in den Schulen durchgeführt und ausgewertet, wobei parallel dazu auch die quantitativen Umfragedaten aus Kalifornien ausgewertet wurden.


Die Ergebnisse wurden in drei Publikationen dargestellt (Held & Sauer 2005, Sauer & Held 2009, Sauer 2007). Zusätzlich wurde ein Dokumentarfilm zu dem Projekt erstellt. Das Erkennen von subjektiven Prozessen bei Kindern und ihrer gesellschaftlichen Hintergründe erwies sich als entscheidende Voraussetzung für eine pädagogisch sinnvolle Förderung der Integration.


Held, J., & Sauer, K. (2005). Integration von Kindern in Baden-Württemberg und Kalifornien. Ein Forschungsbericht. Universität Tübingen.


Sauer, K., & Held, J. (Eds.). (2009). Wege der Integration in heterogenen Gesellschaften - Vergleichende Studien. Hamburg: VS-Verlag.


Sauer, K. E. (2007). Integrationsprozesse von Kindern in multikulturellen Gesellschaften. Wiesbaden: VS Verlag.

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